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Die Führungsrolle der Präsidenten der Europäischen Kommission: Eine historischpolitikwissenschaftliche Analyse

Posted on 16 July 2015

HenrietteMullerHenriette Müller, als Doktorandin der Politikwissenschaften an der Humboldt Universität in Berlin tätig, analysiert anhand ihres Forschungsprojekts „Die Kommissions präsidenten und Europäische Integration: Politische Führungsperformanz im Supranationalen Raum“ die Evolution von Einfluss und Performanz der Kommissionspräsidenten von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bis zur gegenwärtigen Europäischen Union. Sie untersucht dies mittels einer komparativen Analyse der Präsidentschaften von Walter Hallstein, Jacques Delors und José Barroso. Jeder der drei genannten Präsidenten bekleidete das Amt für mehr als eine Amtszeit, und diente damit an die zehn Jahre - in Schlüsselperioden des europäischen Integrationsprozesses (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Europäische Gemeinschaft und Europäische Union), was die Forscherin als Indiz für eine starke Position im Amt sieht.

Die Forschungsmethoden die Müller anwendet beinhalten die Analyse von Reden, Experteninterviews (derzeitige und ehemalige Beamte der Kommission, des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments) sowie anhand von Zeitungsartikeln. Im Historischen Archiv der Europäischen Union fokussiert sich Ihr Forschungsinteresse vor allem auf das Studium der Archivalien von Delors und Hallstein, insbesondere die private Sammlung des letzteren, die Archivbestände der Kommission, des Rates der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments; aber auch die privaten Sammlungen von Klaus Meyer, Emile Nöel, Robert Toulemon und François Xavier Ortoli standen im Fokus.

Sie arbeiten seit 2011 an dem Projekt „Die Kommissionspräsidenten und Europäische Integration: Politischer Führungsperformanz im Supranationalen Raum“. An welchem Punkt des Forschungsprozess befinden Sie sich gerade? Wollen Sie die Forschungsergebnisse publizieren?

Ich bin gerade dabei die Doktorarbeit in den nächsten Monaten fertigzustellen, und möchte sie auch nach der Verteidigung veröffentlichen.

Warum haben Sie sich für das Sorensen Stipendium beworben? Haben Sie alle Archivalien, die sie zur Forschung benötigten, analysiert?

Ich habe mich für das Sorensen Stipendium beworben, weil ich davon überzeugt war, dass ein Forschungsaufenthalt im Historischen Archiv der Europäischen Union eine großartige Chance für mich darstellen würde. Da ich mich am Ende meines Forschungsprojektes befinde, war es sehr wichtig meine Ergebnisse mit den Archivbeständen abzugleichen. Diese Phase ist entscheidend da ich so meine Forschungsergebnisse bestätigen und historisch verifizieren kann.

In wieweit hatten die Persönlichkeiten der verschiedenen Präsidenten der Europäischen Kommission Einfluss auf Schlüsselmomente im Europäischen Integrationsprozess?

Wie meine Forschungsergebnisse aufzeigen wurde der Europäische Integrationsprozess von den Biographien, der Weitsicht und dem Führungsstil der einzelnen Kommissionspräsidenten beeinflusst. Obwohl der historische Kontext, in dem sich die drei Präsidenten wiederfanden divergent war, hatte ihre jeweilige Performanz dennoch Einfluss auf die Gesamtentwicklung des Integrationsprozesses. Mein Forschungsthema analysiert dabei die Strategien, die die Amtsinhaber an verschiedenen Zeitpunkten in der Geschichte der Gemeinschaft verwendet haben, um politische Führung auszuüben. Diese Untersuchung ist dahingehend interessant, da das Amt des Kommissionspräsidenten formal kaum über institutionelle Durchsetzungsmechanismen verfügt und damit institutionell kaum Führung ausüben kann.

In Ihrer Masterarbeit „George W. Bush auf Amtsbesuch in Europa - Das Bild des 43. Präsidenten der USA in deutschen und britischen Qualitätsmedien“ haben Sie sich mit dem Bild der US-amerikanischen Präsidentschaft während eines Europabesuchs beschäftigt, und  sind vor allem auf die Darstellung dieses Besuches in der europäischen Presse eingegangen. Woher kommt das wiederkehrende Interesse an den Konzepten von Führungsrollen und Präsidentschaftsämtern?

Obwohl Institutionen essentielle Bausteine demokratischer Systeme und der Regulierung politischer Prozesse darstellen, beeinflussen einzelne Akteure/Politiker, ihr Aufstieg, ihre politischen Konzeptionen, Strategien und ihre Rhetorik trotzdem den Verlauf politischer Prozesse. Um zu verstehen was für eine Rolle sie gespielt haben, welche Strategien zu politischem Erfolg führten, in welchem Kontext sie agierten, muss dahingehend jedoch noch verstärkt geforscht werden. Deswegen interessiere ich mich für Themen der politischen Führungsperformanz und Formen des Regierens sowohl im nationalen, als auch im internationalen Rahmen.

Sie absolvierten mehrere Forschungsaufenthalte an verschiedenen Universitäten, Instituten und Organisationen. Was halten Sie von dem Europäischen Hochschulinstitut und speziell von dem Historischen Archiv der Europäischen Union?

Meiner Meinung nach zählen das Europäische Hochschulinstitut und das Historische Archiv zu den wichtigsten Forschungsinstitutionen in Europa im Bereich der EU studies und zugehörigen Themengebieten. Sowohl die Bestände des Archivs also auch die anregende Forschungsatmosphäre üben Anziehungskraft auf jede/n aus, der/die sich für diese Themen interessiert. Die Kombination der eben genannten Faktoren macht jeden Besuch einzigartig und außerordentlich produktiv.

Die derzeitige Lage in Europa ist kritisch. Wie sollte an Ihr Forschungsthema Ihrer Meinung nach heutzutage herangegangen werden?

Eines meiner Ergebnisse ist, dass, bedingt durch die relativ schwache institutionelle Positionierung der Kommissionspräsidentschaft im institutionellen Gefüge der EU, die erfolgreiche Ausübung der Funktionen des Amtes maßgeblich an der Persönlichkeit, und den Strategien des Präsidenten selbst hängt. Die Kontinuität und Stabilität des politischen Entscheidungsprozesse in Europa wird wiederrum durch die ebengenannte Abhängigkeit von einzelnen Persönlichkeiten geschwächt, da die institutionelle Struktur viel Raum für die individuelle Gestaltung des Einzelnen lässt. Es wäre daher notwendig die demokratische Basis durch Mechanismen der gegenseitigen Kontrolle und einem formellen Ausbau der Kompetenzen des Präsidentschaftsamtes zu stärken. Dies würde zu einem Präsidentschaftsamt führen, das unabhängig von dem Auftritt der jeweiligen Amtsinhaber fungiert und letztendlich den Integrationsprozess selbst stabilisiert.

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